Ein Besuch am Venn ist immer ein kleines Erlebnis, bei dem man die Natur beobachten und genießen kann. Dabei fällt dem aufmerksamen Besucher sicherlich auf, dass besonders in der letzten Zeit einige Veränderungen im Gewässer im Gange sind. Zum einen ist in den letzten Jahren die Schlammschicht am Grund des Gewässers stetig gewachsen und zum anderen hat das Wachstum von Unterwasserpflanzen stark zugenommen.
Die Zunahme der Schlammschicht am Grund des Gewässers ist zwar ein natürlicher Prozess für ein Moor, jedoch haben Langzeitmessungen ergeben, dass diese im Venn um ca. 1 cm pro Jahr wächst.
Bei einem natürlichen gesunden Moor geht man von einem Wachstum von max. 1 mm pro Jahr aus.
Dies hat primär zur Folge, dass die Wassertiefe über die Jahre abnimmt. Das ist jedoch nicht das Hauptproblem, sondern vielmehr die Beschaffenheit des Schlamms.
Seit ca. 5 Jahren kann man ein weiteres Phänomen beobachten. Das Wachstum der Unterwasserpflanzen bzw. der Fadenalgen hat massiv zugenommen, wobei sich besonders eine Pflanzenart durchgesetzt hat. Hierbei handelt es sich um die Wasserpest (Elodea nuttallii).
Diese Entwicklungen machen uns große Sorgen, weshalb wir verschiedene Fachleute kontaktiert und um Rat gebeten haben. Im Sommer 2018 besuchte uns Walter Arendt, ein Mitarbeiter des Naturschutzzentrums Kleve. Im Herbst 2018 suchten wir fachliche Unterstützung beim Rheinischen Fischereiverband.
Ergebnis dieser Gespräche war, dass sich ähnliche Entwicklungen in sehr vielen Altgewässern zeigen, welche üblicherweise sich selbst überlassen werden. Dabei entwickeln sie sich jedoch nicht zu einem artenreichen Moor, sondern zu Problemgewässern.
Eine Patentlösung konnte uns leider keiner anbieten, aber man versprach Hilfe. So wurde uns zugesagt, dass der Rheinische Fischereiverband eine umfangreiche Gewässeruntersuchung am Venn durchführen wird.
Was ist mit dem Wasser los?
Diese fand dann auch im August 2019 statt. An dieser Stelle wollen wir die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung zusammenfassen. Wer Interesse hat, dem stellen wir aber auch gerne die kompletten Untersuchungsergebnisse vor. Eine sehr aufschlussreiche Messung ist die Profilmessung, bei welcher die Parameter Sauerstoff, pH-Wert, elektrischer Leitwert und Temperatur in verschiedenen Tiefen gemessen werden.
Auffällig ist, dass der pH-Wert an der Wasseroberfläche Werte bis zu 9,3 erreicht, was für viele Lebewesen schon tödlich ist. In Grundnähe liegt der pH-Wert bei 7,8, was im Normalbereich liegt.
Bei der Sauerstoffkonzentration fällt auf, dass nur an der Wasseroberfläche ausreichend Sauerstoff vorhanden ist, in Grundnähe jedoch nur sehr wenig. Gemessen wurde in 1 m Tiefe eine Sauerstoffkonzentration von 1,6 mg/l. Zur Einordnung:, bei einem Sauerstoffgehalt von weniger als 3 mg/l wird bereits von einem kritischen Wert gesprochen. Unter diesen Voraussetzungen muss ein Fisch ständig abwägen, ob er sich an der Wasseroberfläche aufhält, wo der pH-Wert viel zu hoch ist, oder ob er am Grund mit dem sauerstoffarmen Wasser klarkommt. Dies stellt für Fische und andere Lebewesen einen hohen dauerhaften Stress dar. Das Problem vieler anderer Lebewesen ist jedoch, dass diese nicht so mobil sind wie Fische. So ist beispielsweise die Teichmuschel an den Gewässergrund gebunden. Somit ist es auch nicht verwunderlich, dass die Makrozoobenthos Arten (wie Krebse, Muscheln, Schnecken, Insektenlarven usw.) nur unterdurchschnittlich häufig vorkommen. Kurz zusammengefasst lässt sich festhalten, dass die Artenvielfalt im Venn stark gefährdet ist!!!
Lebensfeindlicher Schlamm
Aber nicht nur im Wasser selbst sondern auch im Schlamm, welcher ein wichtiger Bestandteil eines Moores ist, ist die Artenvielfalt gefährdet. Bei der Schlammuntersuchung wurden beispielsweise nur wenige Zuckmückenlarven gefunden. Aber warum ist das so? Ausschlaggebend ist wohl die Beschaffenheit des Schlamms. Der Schlamm entsteht in erster Linie durch Zersetzung von Pflanzenresten, wobei Mikroorganismen eine wichtige Rolle spielen. Die „guten“ Mikroorganismen bauen den Schlamm unter Verwendung von Sauerstoff ab. Dabei sind sie dann auch Grundlage der Nahrungskette. Wie die Messergebnisse der Profilmessung zeigten, fehlt aber der Sauerstoff in Grundnähe. Der fehlende Sauerstoff hat zur Folge, dass der Schlamm unvollständig von anaeroben Mikroorganismen zersetzt wird. Dabei entstehen Faulgase wie Schwefelwasserstoff. Dieses Milieu ist für die meisten Lebewesen ungeeignet. Es leben hier kaum Makrozoobenthos Arten.
Pflanzen außer Kontrolle
Ein weiteres Problem ist das massive Wachstum der Unterwasserpflanzen. Vorab möchte ich bemerken, dass Unterwasserpflanzen sehr wichtig für das Gewässer sind. Sie bieten Nahrung, Schutz und Lebensraum für viele Lebewesen. Eine massenhafte Vermehrung kann aber zum Problem werden. Wie bereits erwähnt, hat sich die Wasserpest (Elodea nuttallii) massiv im Venn verbreitet und massenhaft vermehrt. Normalerweise wird das Wachstum der Wasserpest durch limitierende Faktoren wie fehlende Nährstoffe, nicht genügend Licht, niedriger Temperatur oder zu wenig Platz begrenzt. Ist einer von diesen Faktoren knapp, wird die Pflanze im Wachstum gehemmt. Idealerweise wird das Wachstum durch das Nahrungsangebot limitiert. Anscheinend passiert das im Venn aber nicht, was zur Folge hat, dass die Pflanze den kompletten Wasserkörper zu wuchert.
Die großen Wucherungen der Wasserpest begünstigen zudem die biogene Entkalkung. Die biogene Entkalkung ist ein biochemischer Prozess, bei dem die Pflanzen den benötigten Kohlenstoff aus dem im Wasser gelösten Hydrogencarbonat beziehen. Dabei wird Kalk ausgefällt, welcher dafür sorgt, dass der pH-Wert auf die gemessenen hohen Werte von bis zu 9,3 ansteigt.
Was heißt das für die Fische im Venn?
Im April 2020 besuchten Dr. Frank Molls und Armin Nemitz vom rheinischen Fischereiverband das Venn. Sie untersuchten den Fischbestand mittels Elektrobefischung. Das Fangergebnis zeigt einen guten Bestand an Schleien, Aal und Barsch an. Auch sind Kleinfischarten wie Bitterling, Steinbeißer und Stichling nachgewiesen worden. Soweit ist das Untersuchungsergebnis positiv zu sehen.
Weißfische wie Rotaugen, Rotfeder und Brassen konnten nicht nachgewiesen werden. Der Bestand dieser Arten wird wohl nicht vollständig verschwunden sein, ist aber deutlich geschrumpft.
Suche nach Gründen
Auf der Suche nach den Gründen dafür hilft wieder das Ergebnis der Gewässeruntersuchung des Rheinischen Fischereiverbands. So wurde sowohl im Zulauf als auch im Gewässer der Phosphor-Wert gemessen, welcher um das 10 bis 40-fache über den Normalwerten lag. Doch woher kommen diese hohen Belastungen? Zum einen ist zu vermuten, dass sich die Nährstoffe über Jahrzehnte im Sediment angereichert haben und sich in Wechselwirkung immer mal wieder lösen. Zum anderen ist der zufließende Nuthgraben stark belastet.
Lösungsfindung
Mit Dr. Frank Molls sprachen wir über mögliche Vorgehensweisen, um die Situation am Venn zu verbessern. Er beurteilt die Lage als ein „schwieriges, aufwändiges und dauerhaftes „Anrennen“ gegen das vorhandene und ständig neu gelieferte Nährstoffangebot.„
So kristallisierten sich zwei mögliche Lösungsansätze heraus:
- Stetige Biomasse-Entnahme durch wiederholte Entkrautungsmaßnahmen
Es müssten Jahr für Jahr Unterwasserpflanzen entnommen werden. Diese sollten dann in ausreichendem Abstand vom Gewässer kompostiert werden. Dabei sollten pro Jahr max. 1/3 der Pflanzen entnommen werden. Um das zu bewerkstelligen, ist sowohl ein erheblicher maschineller Aufwand, als auch jede Menge Manpower über Jahre erforderlich. Ein Versuch, ein Mähboot für Testzwecke zu leihen, scheiterte 2020. - Durch dauerhafte Belüftung die Selbstreinigungskräfte des Gewässers stärken
Es ist sehr wahrscheinlich, dass wenn man permanent Sauerstoff in Grundnähe einbringt, sich die zuvor beschriebene Problematik verbessert. Auch ist davon auszugehen, dass sich das nicht nur auf den unmittelbar belüfteten Bereich beschränkt, sondern auch noch in die weitere Umgebung ausstrahlt. Wie weit es tatsächlich Auswirkungen auf die weitere Umgebung hat, muss ausgetestet werden.
Eine Lösung in Sicht?
Bei einem Experiment im Aquarium belüfteten wir Schlamm aus dem Venn ein halbes Jahr, was zu einer Verringerung des Schlammvolumens um 1/3 führte. Im nächsten Schritt muss sich zeigen, ob dieser Lösungsansatz auch im großen Maßstab umsetzbar ist. Hierzu bauten wir im August 2020 eine
erste Testanlage, bestehend aus Solarzellen, Akku, Membranpumpe und Ausströmer. Diese Anlage lief einige Tage und lieferte wertvolle Erkenntnisse, die wir beim Bau einer weiteren Anlage einfließen lassen werden.
Im Frühjahr 2021 planen wir eine größere Anlage. Diese Anlage soll so ausgelegt sein, dass sie einen gewissen Bereich 24 Stunden permanent belüftet. Sollten diese Experimente positive Ergebnisse liefern, planen wir eine sukzessive Erweiterung des Projekts.
Das Projekt muss auch nicht exklusiv vom ASV Humbert durchgeführt werden. Ein Erfolg ist nicht zuletzt davon abhängig, dass sich möglichst viele daran beteiligen. Der Aufwand ist nicht unerheblich.
Wir freuen uns über jede Hilfe.
Wir hoffen wir konnten mit diesem Bericht, dir Vorgänge die im Venn ablaufen, etwas näher bringen.
Wie anfangs erwähnt, werden Gewässer wie das Venn, meisten sich selbst überlassen und werden somit zu Problemgewässern. Dieses Schicksal wollen wir den Venn ersparen.
L. Spronk